Vom Kleinen ins Große: Der Boden, auf dem ein Samen zum Baum heranwächst, ein Gebäude errichtet wird, menschliche Existenzen ein- und ausgehen, ineinanderfließen und sich ablösen, während ein regelmäßig neu einsetzendes ungreifbares Gefühl des Zuhauseseins eine warme Verbindung zwischen Ort und Person erschafft; diesen Boden möchte Vlimmer auf seinem vierten Album umpflügen und seiner ureigenen Magie berauben.
Für den Musiker bedeutet das, sich von erlernten Mustern zu trennen, sich seiner Sicherheiten zu entledigen, die eigene Identität von einer anderen Perspektive anzugehen. Ist das möglich? „Bodenhex“ ist das Dokument des Prozesses dieses Versuchs, in dem es nicht um die Isolierung von der Gesellschaft geht, sondern ein Finden seiner Selbst in den überbordenden Reizangeboten: „Gib mir diesen Regenguss aus viel zu viel / Ich wurde nicht gefragt, ob ich das alles kann“.
Aus dem Chaos des Lebens schält sich das Individuum heraus, das sich vor niemandem zu rechtfertigen hat außer sich selbst. So kann der Opener „2025“ mit spärlichen, pluckernd-unaufgeregten Beats zu nebligem Drone starten, ätherisch-leblosen Gesang intonieren und mit jeder verstreichenden Minute die Anspannung steigen lassen, seien es krächzend langgezogene Gitarren, sich zunehmend verdichtende Tribaldrums oder verhalltes Gekeife weit hinter dem Horizont: „Keine 100 für niemand“ bricht es schließlich Cure-esque heraus.
Vlimmer hat seinen Sound umgekrempelt und führt fort: Die Ahnung des nahenden Angriffs bewahrheitet sich umgehend im donnernden „Überrennen“, das Industrial mit metallenem Shoegaze vereint und Blastbeat-Ohrfeigen verpasst. Danach versöhnt Donat zwar mitunter Indie-wavig, pumpt elektropoppig, sorgt aber mit beklemmender Zither, schlieriger Post-Punk-Gitarre und dräuenden Synthesizern für ein stetes atmosphärisches Irrlichtern am Firmament. Das abschließende Blackgaze-meets-Darkwave-Wettrennen „Fadenverlust“ pulverisiert sich selbst, um der glühenden Apokalypse zuvorzukommen.
Boden verbrannt. Neustart (er)folgt.